530 Gemeinden führen eigenes Wappen

In Thüringen hat die Mehrzahl der Kommunen ein eigenes Hoheitszeichen. Die Gemeindefusionen verschaffen Heraldikern neue Arbeit. Die Motive müssen eine eindeutige Verbindung zum Ort haben.

Erfurt/Rückersdorf. Wenn es um das Thema Gemeindewappen geht, trennt sich für den Heraldiker Alexander Jacob schnell die Spreu vom Weizen. Bei Neuentwürfen würden die Maßstäbe für ein gutes Wappen viel zu oft missachtet, sagt der Fachmann aus Rückersdorf (Landkreis Greiz). Im vergangenen Jahr hat er das Wappen der Landgemeinde Am Ohmberg im Eichsfeld entworfen – die Kommune ist bislang die letzte in Thüringen, die ein eigenes Hoheitszeichen beantragt hat.

Generell ist der Trend zum eigenen Wappen unter den Kommunen in den vergangenen Jahren abgeebbt. Nach der Wende und im Zuge der Gebietsreform 1994 habe es einen wahren Boom gegeben, sagt Hartmut Ulle, der sich seit mehr als 20 Jahren intensiv mit dem Thema beschäftigt und das „Thüringer Wappenbuch“ herausgegeben hat. So wurden allein 1993 und 1994 etwa 160 Wappen vom Landesverwaltungsamt genehmigt. Im vergangenen Jahr hat es dagegen im Freistaat nur einen einzigen Antrag gegeben.

Momentan führen Ulle zufolge 530 der 878 Kommunen im Freistaat ein eigenes Hoheitszeichen. Neuanträge gebe es meist nur noch, wenn sich Gemeinden zusammenschlössen, sagt er. Denn mit der neuen Struktur erlischt das alte Wappen – wie im Fall der Landgemeinde Am Ohmberg. 2010 hatten sich mehrere Orte zu dem Verbund zusammengefunden. Dabei sei von Anfang an klar gewesen, dass die neue Kommune auch ein neues Hoheitszeichen bekommen würde, sagt Bürgermeister Helmut Kirchner.

Für den Heraldiker Jacob war die Arbeit zumindest in diesem Fall nicht besonders schwer: Die Motive aus den alten Wappen der vier Gemeinden wurden zusammengefasst und in einem Werk vereint. Andere Fälle seien da schon kniffliger, sagt Jacob. Bei Neukreationen seien es vor allem der Name und die Geschichte des Ortes, die wichtige Anhaltspunkte liefern könnten.

Für ein gutes Wappen sei es wichtig, die heraldischen Grundsätze zu beachten. Das unterscheide seine Arbeit auch von der eines „normalen“ Grafikers, sagt Jacobs. „Ein Wappen muss so gestaltet sein, dass es an einem Ritter des 13. Jahrhunderts vorstellbar ist“, lautet einer der wichtigsten Grundsätze. Das sei jedoch nicht immer der Fall. Abschreckende Beispiele gibt es laut Jacob genug – wie im Wappen von Tabarz, in das der örtliche Sendemast aufgenommen wurde. Die rechtlichen Vorgaben sind weniger streng als das Urteil des Heraldikers. In erster Linie müsse das Motiv eine eindeutige Verbindung zum Ort haben und sich von anderen zweifelsfrei unterscheiden, sagt ein Sprecher des Landesverwaltungsamts. Ein Beispiel dafür ist die Gemeinde Untermaßfeld, die mit Verweis auf die Strafanstalt im Ort ein silbernes Gitter im Wappen führt.

Zentrale amtliche Veröffentlichungen aller Gemeindewappen gibt es in Thüringen nicht. Selbst das Landesverwaltungsamt verweist bei Anfragen auf die Arbeit von Hartmut Ulle, der seit 1994 sein „Thüringer Wappenbuch“ veröffentlicht und in unregelmäßigen Abständen Neuauflagen auf den Markt bringt. Arbeit gebe es genug, sagt Ulle. Besonders durch Gemeindezusammenschlüsse fielen immer wieder alte Wappen weg, vereinzelt kämen neue hinzu.

Sein Ziel ist ein Gesamtwerk, in dem sowohl die gültigen als auch die „verlorenen“ Wappen zusammengetragen werden. Denn mit den Wappen gerieten auch manche interessante Geschichten in den Hintergrund – etwa im Falle der Gemeinde Möhra, wo einst das Haus der Eltern Martin Luthers stand. Die Lutherlinde und die Lutherrose seien nach dem Zusammenschluss in der Gemeinde Moorgrund als Motiv weggefallen, sagt Ulle. „So etwas ist schon schade.“ Noch bedenklicher sieht der Hobby-Heraldiker aber einen anderen Trend: „Immer mehr Kommunen legen sich ein Logo zu – dabei sagen Wappen doch viel mehr über einen Ort aus.“

Quelle: Andreas Göbel, am 14.03.13 in der OTZ http://www.otz.de